Baskische Tea Time in London

51549688-H1-Ametsa_ceiling_detailElena Arzak ist mit drei Michelin-Sternen eine der höchstprämierten Köchinnen weltweit. Mit ihrem Vater betreibt sie das „Arzak“ in San Sebastian und berät im Londoner Hotel „The Halkin by COMO“ das „Ametsa with Arzak Instruction“. Dort hat sie mal gerade eine heilige britische Institution revolutioniert: den Afternoon Tea

Im Vereinigten Königreich ist nichts mehr so, wie es einmal war: Der Brexit steht vor der Tür, der Big Ben ist für vier Jahre wegen Renovierungsarbeiten verstummt, und auch Herzogin Kate leidet während ihrer derzeitigen Schwangerschaft unter außergewöhnlich starkem Unwohlsein. Nun ist auch noch eine der letzten Bastionen traditioneller, britischer Lebensart gefallen: zum Afternoon Tea serviert die baskische Spitzenköchin Elena Arzak im Londoner Hotel „The Halkin by COMO“ nicht Gurken-Sandwiches und Scones mit Clotted Cream und Marmelade, sondern baskische Tapas.

Statt der traditionellen Schnittchen, Kekse und Pralinen stehen Süppchen aus süssem Mais und Erbsenpürree, Enten-Spiesschen, in Tempura ausgebackene Rosenblätter, Quittenbällchen und Käsesandwiches mit Zwiebel-Chutney auf der Karte, und selbst bei den süssen Häppchen tauchen Zutaten wie Spinat und Pastinaken auf. Das muss doch zu einer kleinen Revolte unter den Gästen geführt haben, oder? „Nein“, lacht Elena, „die Londoner sind sehr offen für neue Dinge. Die britische Gesellschaft heute ist sehr gemischt und multikulturell, unsere Gäste auch. An jedem Tisch findet man eine andere Welt.“ Daher sei das Publikum sehr offen für neue Geschmackserfahrungen.

Eigentlich betreibt Elena Arzak und ihr Vater Juan Mari das „Arzak“ im baskischen San Sebastian. Auch dort gibt es eine sehr breite genussaffine Mittelschicht, die die Kochkunst der Arzaks zu schätzen weiss. Das Spitzenlokal, das seit 1998 ununterbrochen in der Top 10 der weltbesten Restaurants zu finden ist, gibt es schon seit 1897. Elenas Vater erkochte bereits 1974 den ersten Michelin-Stern, 1977 folgte der zweite und 1989 der dritte. In den 1970er Jahren kombinierte er klassische baskische Zutaten wie Kabeljau, Seehecht oder Calamari mit neuen Zutaten aus aller Welt, liess sich von der französischen Sterneküche inspirieren und kreiierte so die „Neue Baskische Küche“. Auch heute noch ist er – mehr als die jüngeren Generationen – die treibende Kraft hinter den Innovationen und Experimenten. So entstanden Gerichte wie Tintenfisch mit geschmorten Feigen, Skorpionfisch, dünne Scheiben einer Mango mit einer mit Tonicwasser aufgemixten Chorizo als Amuse-Gueule oder weißen Bonito mit Rhabarber-Carpaccio und frittierten Lilien. „Autorenküche“ nennen das manche Gastrokritiker.

Seit Elena 1996 nach diversen Stationen im Ausland wieder ins Familienunternehmen zurückkehrte, konnte sie das hohe Niveau halten. Mit den drei Sternen gehört sie zu nur sieben Frauen weltweit, die jemals dieses Level erreicht haben. Nach der Hotelfachschule hat Elena für viele grosse Kochpersönlichkeiten gearbeitet: im Le Gavroche in London, dem Troisgros in Roanne sowie dem Carré des Feuillants und dem Vivarois in Paris. Kurze Arbeitsaufenthalte im El Bulli 1997 und bei Pierre Gagnaire 1998 vervollständigten ihr Kochhandwerk.

Die Arbeit in der Spitzengastronomie ist ein Knochenjob, Frauen sind in diesem Machogewerbe immer noch selten. Elena findet das nicht so dramatisch: „Es ist gerade einmal 50 Jahre her, dass Frauen meist zuhause gearbeitet haben. Als mein Vater auf der Hotelfachschule war, betrug das Verhältnis „Mann : Frau“ 2 zu 50. Als ich meine Ausbildung absolvierte, 50:50. Es entwickelt sich, aber es braucht einfach Zeit.“

Sie lacht: „Bei uns zuhause herrschte sowieso immer schon das Matriarchat, meine Großmutter war immer die Chefin. 80 Prozent des Personals im Restaurant ist weiblich. Wir haben mittlerweile sechs weibliche Chefs de Partie. Von daher hatte ich Glück: ich brauchte als Frau nicht zu kämpfen, um mich durchzusetzen.“  Sie ist stolz, die Arbeit ihrer Mutter Maite, ihrer Tante Serafina und ihrer Großmutter Paquita fortzusetzen. Viel wichtiger als das Geschlecht sei die Frage, wer kreativer und fleissiger ist. „Es kommt immer auf die Persönlichkeit und die Sensibilität der jeweiligen Person an.“

Elena und das fünfköpfige Berater-Team „Arzak Instruction“, das neben ihr aus ihrem Vater Juan Mari, Mikel Sorazu, Igor Zalakain und Yabier Gutierrez aus dem Hauptrestaurant „Arzak“ im baskischen San Sebastian besteht, sind nicht nur für die Tapas-Tea Time in der Halkin Bar verantwortlich, sie unterstützen und beraten auch die Köche des „Ametsa with Arzak Instruction“ im „The Halkin by COMO“.

Hier haben sie im Chefkoch Sergio Sanz Blanco eine Kochpersönlichkeit gefunden, die ihr Denken und die Philosophie der „Neuen Baskischen Küche“ versteht. Diese Kooperation wurde von den Besitzern des Hotels, den Ongs aus Hongkong, initiiert. Das kultivierte, luxusaffine Ehepaar, das ihr Hobby des Hotel-Sammelns zum Business machte und die Hotelgruppe COMO gründete, kannte und liebte die Küche des Restaurants in San Sebastian und bat die Familie um Unterstützung. Daraus entstand die Zusammenarbeit zwischen London und San Sebastian. „Mein Vater hatte schon lange die Idee, auch so etwas wie Beratung zu bieten, mehr wäre auch in London zeitlich nicht möglich gewesen,“ so Elena.

Im Ametsa, dem baskischen Wort für „Traum“, zitiert man die Experimentierfreude des Arzak. Dort hängen 7000 kleine Glasröhrchen mit Gewürzen und Aromen unter der Decke, eine Anspielung auf die „Laboratorio“ genannte Testküche in San Sebastian mit rund 900 Gewürzen und Zutaten.

Etwa 60 „Elemente“ pro Jahr, die hier entwickelt werden, schaffen es auf die Karte des Restaurants. Hier werden Speisen wie Jakobsmuschel mit Hanfsamenkrokant serviert, Lamm mit Lotus oder Iberico Schwein mit „clumsy Peach“, der kein Pfirsich ist, sondern aus Apfelmus besteht. Immer wieder werden spannende falsche Fährten gelegt. So besteht der Anise Donut aus einer fruchtige Creme in einer Schokoladenhülle. Nur die Form erinnert an einen gebackenen Donut.

Was ist nun der Unterschied zwischen dem Arzak in San Sebastian und dem Ametsa im feinen Belgravia? „Das Essen ist natürlich nicht ganz dasselbe, weil die Rohprodukte nicht aus dem Baskenland, sondern aus Grossbritannien kommen, der Fisch z.B. aus Cornwall, das Fleisch aus Wiltshire. Auch der Umgang mit Knoblauch, Gewürzen wie Safran und Salz ist anders“, erklärt Elena, „in London haben wir zusätzlich ein kleines Lunch-Menü auf die Karte genommen, weil die Londoner mittags schnell und weniger essen als die Basken. Dort kommen die Gäste abends und am Wochenende, mit viel mehr Zeit zum Feiern und Geniessen.“

Schon im Alter von elf Jahren begann Elena erste Aufgaben im Restaurant zu übernehmen. Zwei Stunden am Tag half sie nach der Schule dabei, Orangen zu schälen und Tintenfische zu säubern. Schon als kleines Mädchen hatte sie sich in der Küche herumgetrieben. Sie erinnert sich an den Duft der Krebse, die in der Casserole vor sich hin schmorten und an ihren ersten Trüffel. Ihre eigenen Kinder hält sie vom täglichen Betrieb in der Restaurantküche fern. „Da arbeiten heute 30 Leute, das ist für Kinder zu stressig,“ sagt sie, „Das Kochen habe ich ihnen zuhause beigebracht. Ich wollte einfach, dass sie die Basics kennen, wie man eine Brühe ansetzt, wie man ein Hähnchen brät oder eine gute Tomatensauce macht. Nicht nur, weil ich wollte, dass sie sich gut und gesund ernähren, sondern sie sollen auch improvisieren können, wenn überraschend jemand zu Besuch kommt.“

Auf dem Fundament, das ihr Vater gelget hat, wird auch Elena die „Neue Baskische Küche“ weiterenwickeln. Ihre Philosophie ist so, als habe man Kants Kategorischen Imperativ in die Küche verlegt: „Serviere nichts, was du nicht selbst serviert bekommen möchtest.“

Ametsa with Arzak Instruction im The Halkin by Como, Halkin Hotel London, Halkin St, Belgravia, London SW1X 7DJ, Telefon: +44 20 7333 1234
https://www.comohotels.com/thehalkin/dining/ametsa-arzak-instruction

Restaurant Arzak, Avenida del Alcalde José Elosegi, 273, 20015 San Sebastián, Spanien; www.arzak.es

 

 

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