„Retro-Freiheit auf vier Rädern“ versprechen Jill und Alexander den Liebhabern von VW T3-Bussen. Auf Mallorca betreiben die beiden die Busvermietung „Lazy Bus“ mit fünf liebevoll restaurierten Modellen aus den 1980er Jahren – jedes eine eigene Persönlichkeit, jedes mit Camping- und Sportzubehör ausgestattet und damit perfekt für einen individuellen Aktivurlaub auf der Insel, auf der es keine Campingplätze gibt
Entspannt läuft Hühnchen Magnolia über das Gelände der „Lazy Finca“ Son Valls bei Felanitx auf Mallorca. In aller Ruhe pickt sie die Körner und Insekten auf, die sie in den Asphaltrissen zwischen den fünf rund um die Finca geparkten VW T3-Bussen aus den 1980er Jahren findet. Angst hat sie nur vor dem Müllwagen, der regelmäßig mit 120 Sachen durch die schmalen Gassen des Dorfes donnert. Dann traut sie sich nur gemeinsam mit Freundin Erna auf die Straße.
An das satte Blubbern der Motoren, das die Busse beim Kommen und Gehen ausstoßen, haben sich die Hühner schon längst gewöhnt – wenn die Fahrzeuge überhaupt da sind. Seit Jill Vinkmann und Alexander Bocks die Busvermietung „Lazy Bus“ im März 2015 gestartet haben, sind die Bullis ständig ausgebucht. Ausgestattet mit Camping- und Sportausrüstung und Geheimtipps für die schönsten Buchten im Norden und Osten fahren die Camper ganz individuell auf der Insel herum, und bleiben dort, wo es ihnen gefällt. Unabhängig von den starren Essenszeiten in den Hotels, und abseits der überfüllten Strände sucht man sich seine Bucht aus, parkt den Bulli direkt am Wasser, fährt die Markise aus, stellt Campingtisch- und stühle auf, geht Surfen oder Mountain Biken und genießt den Sonnenuntergang bei einem Glas Wein.

„Retro-Freiheit auf vier Rädern“, nennen Jill und Alex diese individuelle Reisemöglichkeit für Camper auf Mallorca. Die beiden stoßen damit in eine touristische Nische. Camping ist hip – und auf Mallorca offiziell nicht möglich. Es gibt keine Campingplätze, nur eine Handvoll geduldeter Stellplätze. Die starke Hotellobby und die komplizierte, teure Anreise mit dem eigenen Caravan haben dies bisher verhindert.
Die Bullis von „Lazy Bus“ bieten nun eine Alternative für Camper und ehemalige Backpacker, die „Lazy Bus“ als Zielgruppe im Auge hat. In der Reisebranche kennen sich die beiden aus. Schon vor zehn Jahren kamen beide unabhängig voneinander auf die Insel, um für einen deutschen Reiseveranstalter zu arbeiten, Alex 2002 und Jill 2009.
„Wir empfehlen nur die geduldeten Stellplätze“, erklärt Alex, „Aber manche Camper haben ihre Fahrzeuge spaßeshalber mit einem Zettel markiert, dass das Fahrzeug nicht campt, sondern nur parkt – aber eher, um die Polizei ein bisschen zu foppen, falls die doch einmal auftauchen sollte.“
Jill erinnert sich an vier Frauen aus Chile, die nach ihrer Bulli-Tour erzählten, wie die Polizei bei einer Kontrolle auf sie reagierten: „Habt Ihr ein schönes Leben“, sagten sie nur ganz neidisch.
Der Alte, der Macho und die Dame

Mit „El Abuelo“ fing alles an. Den zweifarbig in blau lackierten Viersitzer mit luftgekühltem Benzinmotor (4 Zylinder, 1,9 l, 69 PS) aus dem Jahr 1981 schafften sich die beiden an, nachdem sie selbst privat im Sommer 2013 anlässlich eines Trips rundum Bilbao im Norden Spaniens mit einem Bulli unterwegs waren und sich in das Fahrzeug und den damit verbundenen, entspannten Reisestil verliebten. Der Trip war eigentlich als Surfurlaub geplant, doch Alex erkrankte und konnte so – da er nicht Surfen konnte – erst recht das ganz spezielle Urlaubsfeeling mit einem Bulli auf sich wirken lassen.
Zurück auf Mallorca entdeckten die beiden dann „El Abuelo“. Der blinzelte ihnen mit seiner Lichthupe aus dem Schuppen einer verlassenen Finca entgegen. Obwohl der Wagen nicht ansprang, und der Innenraum feucht und kaputt war, ließen sie ihn mit einem Trecker in die Werkstatt ziehen. Mit der Werkstatt arbeiten sie noch heute, die hat sich mittlerweile auf Bullis spezialisiert.
Zehn Jahre hatte der „Opa“ in der Scheune vor sich hin gerostet, bis ihn Alex und Jill fanden, spontan kauften und mit viel Liebe zu einem Camper umbauten. Er ist immer noch der heimliche Liebling der beiden, auch wenn der „Alte“ schon sein Gnadenbrot auf der „Lazy Finca“ geniessen darf und nur noch als Transport- und Ersatzfahrzeug eingesetzt wird.
„Denn in seine Restaurierung ist eine Menge Zeit, Schweiß und Herzblut geflossen“, so Jill. „Generell könnten wir uns aber niemals mehr von einem unserer Babys trennen“, fügt Alex grinsend hinzu.
„El Abuelo“ wurde schnell sehr begehrt in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, das Interesse war riesig. Immer wieder wurden sie darauf angesprochen, ob man sich den Bulli einmal ausleihen könnte. Im Winter 2014 beschlossen sie dann, ihre Begeisterung auf professioneller Basis mit anderen Reisenden zu teilen. Unter dem Namen „Lazy Bus“ gründeten sie den VW-Bus-Verleih. Damit wollten sie „ein Stückchen Retro-Kultur-Vergangenheit-Freiheit vermitteln“.
„Viele Leute wollten diese Art von Urlaub ausprobieren, bevor sie sich selbst einen Camping-Bulli anschaffen“, weiss Alex nun, „fünf oder sechs Leute haben sich nach einer Tour mit einem der Lazy Busse tatsächlich einen eigenen Bulli angeschafft.“
Noch vor dem Beginn der nächsten Saison fuhren sie im Februar 2015 tausend Kilometer auf dem spanischen Festland herum und fanden zwei weitere Schätze für ihre kleine Flotte, den grünen „El Macho“ und die cremefarbene „La Señora“.
Der Viersitzer „El Macho“, Baujahr 1988 mit Dieselmotor (1,6l, 50 PS), und praktischem Fahrradträger verdankt seinen Namen wohl der „fetten“ Soundanlage mit Endstufe und Bassbox, die den Bulli fast zur rollenden Diskothek werden lässt. Das praktische Aufstelldach erlaubt den Nutzern die Wahl, ob sie lieber oben oder unten schlafen möchte. Ein mit Gas oder Batterie betriebener Kühlschrank, ein Zwei-Flammenherd mit Gas und ein Spülbecken mit kleinem Wassertank runden die Standardausstattung ab.

Auch „La Señora“ aus dem Baujahr 1985 ist mit einem Dieselmotor (70PS) ausgestattet. Sie ist das ideale Fahrzeug für alle, die Wert auf Ordnung legen. Durch den hochwertigen Innenausbau gibt es unzählige Stauräume für Ordnungsfanatiker, und das Reimo-Hochdach macht die „Señora“ zu einem wahren Raumwunder. Mit einem Handgriff kann man zusätzlich die Rückbank umklappen und erhält so eine komfortable Schlafgelegenheit. Die „Dame” verfügt über einen Gasherd mit zwei Kochstellen, einen mit Gas oder Batterie betriebenen Kühlschrank und ein Spülbecken mit Duschfunktion, dazu ein Radio/CD und einen Fahrradträger.

„La Gordita“, das „Dickerchen“ aus dem Baujahr 1984 fanden sie in San Sebastian im Baskenland. Nach der Reparatur ist der Bus aus der Joker Edition mit seinem 50 PS-Dieselmotor (1,6 L) mit allem möglichen Schnickschnack ausgestattet und verfügt über ein festes Hochdach, einen Gasherd mit zwei Kochstellen, einen mit Gas oder Batterie betriebenen Kühlschrank und ein Spülbecken mit Duschfunktion. Wie auch die anderen Fahrzeuge hat auch dieser Viersitzer einen praktischen Fahrradträger.

Der letzte Neuzugang „La Tia“, die Tante, hat einen traurigen Hintergrund. Den dunkelblauen Achtsitzer fanden sie im Sommer 2016 in Murcia. Ein alter Herr, der sie Jahrzehnte gefahren hatte, war an Parkinson erkrankt und musste sich von seinem geliebten Fahrzeug trennen. Es war ein tränenreicher Abschied. „Die erste Einweisung durch den alten Herrn war härter als ein Fahrstunde,“ sagt Alex, „er wollte den Wagen einfach in guten Händen wissen …“
Der Bus wurde nun in der Winterpause 2016/17 neu lackiert und soll in der kommenden Saison als Hochzeits- und Event-Foto-Fahrzeug oder für Tagestrips angeboten werden.
Die Campingausstattung der Busse besteht neben zum Bett ausklappbaren Sitzbänken, Radio und Spülbecken aus Handtüchern, Bettwäsche, einem Campingkocher (oder Herd im Fahrzeug), einer Kühlbox, zwei Campingstühlen mit Tisch, einem Wassertank, den man an der Tankstelle wieder neu auffüllen lassen kann, einem Sonnenschirm und einer Solardusche, Töpfen, Besteck, Tellern, Gläsern und einer Taschenlampe. Zusätzlich bietet „Lazy Bus“ noch weitere Freizeit-Ausstattung für den entspannten Inseltrip an: Fahrräder, Longboards, Angelausrüstung, Stand-up-Paddle-Boards oder eine Gitarre. All das gibt es ohne Aufpreis und versteckte Zusatzkosten wie bei ähnlichen Anbietern.
„Lazy Bus“ sieht sich nicht als professionelle Autovermietung, sondern eher als „kleines, chilliges Familienunternehmen“. Natürlich sind alle Busse der kleinen Flotte offiziell angemeldet und versichert und werden zweimal im Jahr vom TÜV und nach jeder Vermietung in der Werkstatt auf ihre Sicherheit gecheckt, doch wer ein Neufahrzeug ohne Macken erwartet, sollte sich lieber an die großen Autoverleiher wenden.
Alles „lazy“
Voller Vorfreude steuert Jill die „Señora“ über die kurvigen Serpentinenstraßen an der Ostküste der Insel. Bald müsste sich der Blick auf eine ihrer Lieblingsbuchten öffnen.
„Seit Juli haben wir es vor lauter Arbeit nicht mehr geschafft, diese Bucht anzufahren und mal einen Tag selbst mit einem unserer Bullis am Strand zu verbringen“, seufzt Jill, „und nun haben wir schon Ende November …“
Nach dem Ende der Saison wollen Jill und Alex sich endlich wieder Zeit für sich und das Reisen nehmen. Mittlerweile haben sich die beiden auf Mallorca ein kleines „Lazy“-Imperium aufgebaut: „Lazy Mallorca“, „Lazy Tours“, „Lazy Bus“ und natürlich auch die „Lazy Finca“ bei Son Valls, die die Bulli-Kunden auch als Homebase vor oder nach ihrem Bulli-Trip nutzen können.
„Ich muss immer lachen, wenn ich jemanden sagen höre: Ich wandere aus, weil ich nicht mehr so viel arbeiten will“, meint Jill, „Genau das Gegenteil erwartet einen! Es ist Monate her, dass wir einmal eine Tag an unseren Lieblingsplätzen geniessen konnten.“
Reisen können die beiden selbst nur in der Winterpause. Dann wollen sie durchs spanische Festland Richtung Portugal fahren, auf der Suche nach der perfekten Welle im Surferparadies Nazaré – natürlich mit einem ihrer VW T3 Bullis. Nicht unwahrscheinlich, dass sie mit mindestens einem neuen Bulli wieder nach Hause fahren …
Dieser Text ist auch im VW CLASSIC Magazin 02/2017 erschienen:
“Mit dem Bulli in die Badebucht” – Bulli-Verleih Lazy Bus auf Mallorca VW CLASSIC Magazin