Raus aus Dubai

Dubai ist faszinierend, keine Frage. Aber wer im stressigen “Übermorgenland” lebt, ist froh, auch mal herauszukommen. Nördlich und südlich wartet ein Flickenteppich aus Mini-Emiraten, schroffen Gebirgszügen, uralten Moscheen, Flamingokolonien und Wellnessoasen auf müde Großstädter.

Ras al Khaimah – Donnerstagnachmittags, wenn das muslimische Wochenende beginnt, packt Adel Al-Makthi, Innenarchitekt aus Dubai, seine Frau und seine drei Kinder samt Gepäck in seinen Nissan Patrol und reiht sich geduldig ein in die Autokolonnen auf den Strassen, die aus Dubai in die nördlichen Emirate und nach Al Ain führen. Wer kann, flieht für zwei bis drei Tage aus dem staubigen, hektischen Dubai in die ruhigeren Regionen im Nordwesten und im Süden.

Nicht, dass die Leute außerhalb von Dubai noch auf Kamelen reiten oder in Zelten in der Wüste campieren würden. Doch auch Adel Al-Makthi hat das Gefühl, hier sei alles ruhiger, authentischer, langsamer, billiger, grüner. Das beginnt schon in den winzigen Emiraten Umm al Quwain und Ajman, die man auf der Fahrt Richtung Norden leicht verpassen kann.

Abseits der Hauptverkehrsströme liegen sie wie vergessene, kleine Miniatur-Ausgaben des großen Bruders Dubai auf mangrovenumsäumten Landzungen und haben neben kleinen Flamingokolonien und dem Wrack eines aus Versehen dort gelandeten Flugzeugs der Centralafrican Airlines vor allem eines für die gestressten Metropolenbewohner zu bieten: das entschleunigte, entspannte Alltagsleben in einer fast vergessenen Randlage.

Verlässt man den Emirates Highway kurz vor Ras al Khaimah, kann man im ersten Moment nur an eine Fata Morgana glauben. Am Horizont erheben sich schneebedeckte Berge. Kommt man näher, erkennt man allerdings schnell, dass die Berge nur aus Pappmachée bestehen und der Schnee nur weiße Kalkfarbe ist. Hier hat der Vergnügungspark “Iceland” seinen Sitz und hofft auf zahlreiche einheimische Besucher, für die Schnee und Eis so exotisch sind wie für den Mitteleuropäer ein Kamelritt durch die Wüste.

Die Gelassenheit einer verschlafenen Provinzmetropole

Ras al Khaimah empfängt den Besucher mit der Gelassenheit einer verschlafenen Provinzmetropole. Geschätzte zwei Millionen Menschen leben in der Glitzermetropole Dubai; in Ras al Khaimah sind es nur rund 300.000. Stundenlange Staus sind unbekannt, und Wolkenkratzer gibt es gerade erst mal zwei.

Das ehemalige Piratennest hat sich nie hetzen lassen. Schon bei der Staatsgründung der Vereinigten Arabischen Emirate 1971 stieß Ras al Khaimah erst ein halbes Jahr später zu seinen sechs Bundesgenossen. Und auch heute schätzen Besucher aus Dubai genau diesen entspannten Rhythmus – und viele auch die Tatsache, dass hier noch vergleichsweise viele Einheimische in der klassischen Tracht der weißen Dishdashas und schwarzen Abayas das Straßenbild dominieren.

Herausragende Sehenswürdigkeiten hat die Stadt nicht sehr viele vorzuweisen. Westliche Besucher fühlen sich vom Dhayah Fort und dem National Museum angezogen. Die meisten Emiratis sind allerdings wenig interessiert an alten Steinhaufen und den Haushaltsgegenständen ihrer Urgroßeltern.

Dann schon lieber Zuschauer sein beim “Dune Bashing”, einer beliebten Freizeitaktivität, die eigentlich nur darin besteht, mit Kerosin betankten Pickups dabei zuzusehen, wie sie sich eine steile Sanddüne hoch quälen, dabei zur Seite kippen und gerne auch einmal Feuer fangen und unter dem Beifall der Zuschauer explodieren. Menschen mit weniger Benzin im Blut bevorzugen eher die Entspannung, die das Baden in den heißen Quellen von Khatt Springs verspricht.

20 Minuten Fahrt vom Stadtzentrum Ras al Khaimah, und schon wieder eine Fata Morgana. Doch diesmal hält sie dem Blinzeln stand: Hier erstreckt sich auf 130 Hektar wie eine alte arabische Festung das “Banyan Tree Al Wadi“, neben dem Hilton, dem Cove Rotana und dem Al Hamra Fort Hotel eines der wenigen Fünf-Sterne-Hotels im Emirat, eine Luxusoase mitten in der Wüste.

100 Villen mit eigenem Swimmingpool ducken sich in die Sanddünen, Gazellen und Oryxe streifen über das weitläufige Gelände, auf dem auch ein so genanntes “Wildlife Centre” zu finden ist, in dem unter anderem Falken gezüchtet werden. Und ausgerechnet hier, wo ringsum die Sanddünen in der unbarmherzigen Sonne glühen, können sich die Gäste im Wellnesskomplex “RainForest” zahlreichen Spa-Awendungen und Wasserspielen hingeben.

Dahinter liegen nur die Wüste und die schroffen, dunkelgrauen Gebirgszüge der Hajar Mountains, die die nördlichen Emirate durchziehen. “Leider ist das hier auch nicht mehr die unberührte Natur, die wir suchen”, sagt Adel auf der Fahrt Richtung Dibba und Fujairah, “hier werden die Steine gebrochen und in riesigen Fabriken zertrümmert, die dann als Fundament für die ambitionierten Landgewinnungsmaßnahmen vor der Küste verwendet werden. Die Kinder der Region zahlen dafür mit Asthmaerkrankungen, denn die Luft hier ist enorm staubhaltig.”

Doch plötzlich öffnet sich bei Dibba der Blick auf das tiefblaue Meer vor der Ostküste und die weitläufigen Strände von Dibba und Fujairah, wo man mit dem Auto sogar bis zu den einbetonierten Sonnenschirmen und Sitzgruppen fahren kann. Nicht weit davon lockt eine der ältesten Moscheen der arabischen Halbinsel, die Moschee von Al Bidiyah, ein archaisches schlichtes Bauwerk, das mindestens 800 Jahre alt sein soll – im Vergleich zu den höchstens 30 Jahre alten Gebäuden in Dubai ein schier unglaubliches Alter.

Kleine Kanäle und Bächlein gluckern und plätschern durch die Oase

Auch in Richtung Süden belebt sich Donnerstagnachmittags der Verkehr auf den Strassen. 130 Kilometer südlich von Dubai liegt an der Grenze zum Oman die Gartenstadt Al Ain. “Nun fahren wir auf der Blood Road” sagt Adel mit einem gewissen Galgenhumor, als er den Wagen startet, und grinst. “Obwohl … ” schiebt er hinterher, “eigentlich ist jede Strasse in den Emiraten eine Blood road” und erzählt von der letzten Massenkarambolage, in der sich kürzlich über 120 Fahrzeuge ineinander verkeilten.

Doch nicht blutrot, sondern grün dominiert den Blick aus dem Wagen. Schon Kilometer vor der Stadt säumen saftige Hecken und Palmenalleen die dreispurigen Strassen, die in die Stadt führen, aus der die Scheichfamilie stammt, die nun schon in zweiter Generation den Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate stellt. Hier hauste die Al Nahjan-Sippe, bevor sie nach Abu Dhabi zog und zur mächtigsten Familie aller Emirate aufstieg. Der 2004 verstorbene Präsident Sheikh Zayed wurde ebenso hier geboren wie der derzeitige Präsident Sheikh Khalifa.

Im Al Ain Palace Museum kann man noch erahnen, dass auch die Scheichs das Leben auf Fünf-Sterne-Niveau noch nicht allzu lange genießen können. Zelte und Nachbauten des einstigen “Majlis”, des Wohnzimmers und Empfangsraums für Gäste, zeugen von diesen alten Zeiten, die noch keine 50 Jahre vergangen sind. Und die Galerie von Ölgemälden und Zeichnungen der 18 Söhne Zayeds zeugen von der Fruchtbarkeit der Familie.

Hinter dem Palace Museum erstreckt sich die berühmte Palmenoase der Stadt. Betritt man sie durch einen der 18 Eingänge, die von 18 Wärtern bewacht werden, umfängt einen sofort eine angenehme Kühle und Stille. Kleine Kanäle und Bächlein gluckern und plätschern durch den Wald aus mächtigen Dattelpalmen. Sogar Bananenstauden können hier überleben, denn Al Ain ist reich gesegnet mit Wasser, das aus dem Hajar-Gebirge kommt.

Hier wachsen sogar Zitronen, Orangen, Feigen und Mango, doch dafür gilt der Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser als der höchste weltweit. Schließlich wollen auch der Vergnügungspark Hili Fun City, der größte Zoo der arabischen Halbinsel und das größte Fußballstadion der Emirate großzügig bewässert werden.

Erschienen in manager magazin online, 02.07.2011: http://www.manager-magazin.de/lifestyle/reise/a-772143.html

 

 

 

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s