Vor 30 Jahren gab der Sultan des Oman ein Parfum in Auftrag, das die arabische Duftkultur neu beleben sollte. Für das Staatsparfum wurden kostbarste Zutaten wie Silberweihrauch, Myrrhe und Felsenrose verwendet. Jetzt will die Marke Amouage sich auch im Abendland etablieren.
Ras al Khaimah – Jeden Tag arbeitet Abdoul Al Beloushi als Sicherheitsingenieur auf den staatlichen Ölfeldern von Bu Hasa südlich von Abu Dhabi. Es ist ein schmutziger und schweißtreibender Job. Umso mehr freut sich der Familienvater nach einer staubigen Arbeitswoche im Wüstencamp auf sein Zuhause im Nachbaremirat Ras al Khaimah. Dort beginnt sein Wochenende nach einer vierstündigen Autofahrt durch die Ausläufer der Wüste Rub al Khali mit einem ausgedehnten Bad, um den Staub der Woche abzuwaschen. Danach eine frische, blütenweiße Dishdasha übergeworfen und die Agal genannte Kordel des Gewandes noch tief in einen Parfumflakon getaucht – so ist er den ganzen Tag von Wohlgerüchen umgeben.
In Abdouls Badezimmer stehen rund 200 Parfumflakons, jedes Wochenende kommen drei neue hinzu. Was in der westlichen Kultur bei Männern als leicht effeminiert gilt, gehört in der Golfregion auch für “echte” Männer zur Alltagskultur. Auch Abdoul ist ein ganzer Kerl: Offizier, Techniker, Ehemann, Fußballfan, Autoliebhaber – und ein Freund schöner Düfte, für arabische Männer kein Widerspruch.
Besonders angetan hat es ihm wie vielen Arabern aus der Golfregion – und zunehmend auch Fans aus westlichen Ländern – ein Luxusparfum aus dem Nachbarland der Vereinigten Arabischen Emirate, aus dem Sultanat Oman. Dort gab vor drei Jahrzehnten der immer noch regierende Alleinherrscher, Sultan Quaboos bin Said ein Parfum in Auftrag, das die alte, reiche Parfumtradition Arabiens wiederaufleben lassen sollte. Für die Neukreation sollten nur die seltensten und kostbarsten Zutaten der Region verwendet werden, Geld spielte keine Rolle.
Der Sultan beauftragte Sayyid Hamad bin Hamoud al bu Said, ein weiteres Mitglied der omanischen Königsfamilie, sich um die Renaissance der alten Duftkultur Arabiens zu kümmern. Der wiederum wandte sich 1983 an den seinerzeit besten Parfumeur der Welt, Guy Robert, der schon Düfte für Modehäuser wie Hermès, Dior, Rochas und Gucci entwickelt hatte.
Ein Staatsparfum für gekrönte Häupter
Und so schöpfte Robert aus dem Vollen: aus Myrrhe, Felsenrose, die nur schwer erreichbar in den Bergen des Omans wächst, Silberweihrauch aus der Provinz Dhofar – seit Jahrhunderten bekannt für den besten und feinsten Weihrauch der Welt – und mehr als 120 weiteren Zutaten wie Jasmin, Lilie, Maiglöckchen, Sandel- und Zedernholz, Moschus, Zibet und Patchouli komponierte er das seinerzeit kostbarste Parfum der Welt: “Amouage Gold” war geboren – für Robert seine ganz persönliche Duftsymphonie, die Krönung seiner Karriere.
Auch der Sultan zeigte sich begeistert von dieser luxuriös duftenden Visitenkarte seines Landes und erhob den neuen Duft kurzerhand zum “Staatsparfum”. Es wurde in kostbaren Verpackungen, die an die Goldschmiedekunst des alten Ägypten erinnerten, gekrönten Häuptern und Präsidenten auf Staatsbesuch als Gastgeschenk übergeben. Prinz Charles zum Beispiel ließ sein Exemplar aus mit 24 Karat vergoldetem Sterlingsilber, handgearbeitet und zum Teil mit Edelsteinen besetzt, aus der pro Flakon bis zu 6000 Euro teuren “Heritage Collection” gleich im Buckingham Museum ausstellen – angemessen für ein Parfum, das sich selbst “The Gift of Kings” nennt. Viele Königshäuser, Aristokraten und Berühmtheiten auf der ganzen Welt sollen zu den Stammkunden von Amouage zählen.
Das Parfumhaus, das sich vollständig im Besitz der königlichen Familie befindet, knüpft an eine reiche Tradition der Region an. Schon seit biblischen Zeiten gelten Länder wie Mesopotamien oder Persien und Regionen wie die arabische Halbinsel als die Wiege der Parfumkunst, nicht zuletzt durch die frühe Entdeckung von Techniken wie Filtration und Destillation, mit denen arabische Chemiker und Alchimisten wie Avicenna es schafften, Düfte aus Pflanzen zu extrahieren und in Öl und Wasser zu konservieren. Seit Jahrhunderten ist die Region darüber hinaus bekannt als Heimat edler Parfumzutaten wie Weihrauch, Sandelholz, Rosenöl oder Myrrhe.
Schwer, süß und sinnlich – typisch arabisch
Mit “Gold” begann 1983 die Geschichte neu. Seitdem sind die meisten der Düfte von Amouage wie Gold, Reflection, Memoir, Dia, Lyric oder Epic so reich, opulent und sinnlich, wie man es von arabischen Parfums erwartet. Die großzügige Verwendung kostbarer Rohstoffe lässt immer wieder Düfte entstehen, die mit ihrer Stärke, Süße und Schwere für europäische Nasen oft gewöhnungsbedürftig sind.
“Manche mögen sagen, dass unsere Düfte sehr stark sind”, sagt der britische Geschäftsführer David Crickmore, “und das ist auch so. Dafür entschuldigen wir uns aber nicht. Wir sind eben ein arabisches Haus.” Das bemerkt man auch in den Verkaufsstätten von Amouage. Dort werde man ganz in der Tradition der arabischen Gastfreundschaft auf das Wärmste willkommen geheißen – so die Lokalpresse anlässlich der Eröffnung des Flagship Store in Muscat, neben der Boutique in Dubai der zurzeit einzige Amouage-Shop.
Auch das Verpackungsdesign steckt voller Anspielungen auf die reiche Tradition der Region: So ziert die Flakons der Damendüfte ein Verschluss, der an die Kuppel der neuen Moschee in Muscat erinnert. Die Flakons der Herrendüfte werden mit einem Aufsatz verschlossen, der dem Griff des Khanjar, des traditionellen omanischen Krummdolchs, ähnelt.
Immer wieder beziehen sich die Themen der Parfums auf arabische Legenden. So belebt der Duft “Ubar” die Erinnerung an eine antike, versunkene Weihrauchhandelsstadt, die der Legende nach durch den Handel zwischen den Küstenregionen der arabischen Halbinsel und den Handelszentren des Mittleren Ostens und Europa zu sagenhaftem Reichtum kam. Erst vor rund 25 Jahren wurden die Überreste der Stadt im Süden des Omans tatsächlich wiederentdeckt. Sie war fast vollständig im Wüstensand versunken.
Harz für 50.000 Euro pro Kilogramm
Für den Duft “Epic” verwendeten die Parfumeure Oud, das fermentierte Holz des Adlerholzbaums. Der Baum produziert bei Schädlingsbefall ein schützendes, intensiv duftendes Harz, das mit Preisen von bis zu 50.000 Euro für das Kilogramm gereinigten Harzes aus gut fermentierten Stücken zu den teuersten Naturharzen überhaupt gehört. Das kostspielige Oud-Holz findet in der arabischen Alltagskultur auch als Räucherwerk und Attar-Öl großzügige Verwendung. Damit werden Gäste geehrt, Räume und Kleider beduftet und die Luft gereinigt.
So gehört bei jedem Wochenendeinkauf in den Emiraten auch der Besuch einer Oud-Boutique zum Pflichtprogramm. In Geschäften, die aussehen wie eine Mischung aus orientalischer Apotheke und Juweliergeschäft, kauft man zum Beispiel Attar. Aus großen bauchigen Glasflakons werden winzige Mengen an Duftölen in kleinere Fläschchen für den persönlichen Gebrauch abgefüllt. Dabei kann man aus diversen Oud-Ölen wählen, manchmal angereichert mit Blumendüften oder weißem Moschus. Nach zwei bis drei Geruchsproben wird dem Kunden eine Holzbox, gefüllt mit frisch gemahlenem Kaffeepulver, unter die Nase gehalten. Das soll den Geruchssinn wieder neutralisieren und frei machen für weitere Dufterlebnisse.
Mittlerweile hat sich “Amouage” von einem Luxusprodukt für den arabischen Markt zu einem international begehrten Nischenprodukt entwickelt. Es ist das einzige Produkt, das weder aus den USA noch aus Europa oder Japan stammt und dennoch den prestigeträchtigen Titel “Star-Produkt des Jahres” gewonnen hat. Diese Auszeichnung, die jährlich in Cannes verliehen wird, gilt als “Oscar” der Luxusgüterindustrie und untermauert den Anspruch des Parfumhauses, die “einzige internationale Luxusmarke aus Arabien” zu sein.
In rund 30 Ländern kann man die Düfte des Hauses, das seinen minimalistisch-modernen Hauptsitz in Sib nahe der omanischen Hauptstadt Muskat errichtet hat, mittlerweile erwerben, zum Beispiel bei Harrods in London, dem KaDeWe in Berlin und Bergdorf Goodman in New York. In jedem Karton findet der Kunde zum Flakon ein Zettelchen mit einem handgeschriebenen Gruß. In Deutschland bietet das orientalische Unternehmen rund elf verschiedene Düfte an. 50 Milliliter kosten zwischen 130 und 420 Euro.
Erschienen in: manager magazin online, 27.09.2011:
http://www.manager-magazin.de/lifestyle/stil/a-788325.html
Erschienen in der WELT: Das Geschenk der Könige, 28.12.2013:
http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article123346220/Das-Geschenk-der-Koenige.html