Monemvasia: Ein Schiff aus Stein

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Abseits der Touristenströme träumt die Region Lakonien auf dem östlichsten Zipfel des Peloponnes vor sich hin. Touristen scheuen die weite Autofahrt – und verpassen so die Luxus-Burganlage Kinsterna, den karibischen Traumstrand von Elafonissos und den bewohnten Felsen von Monemvasia.

Gefira – Nachdenklich stellt Diamantis den Freddo Espresso auf den Tisch. Als Kellner im Café “Mamarkia” am zentralen Platz der kleinen Stadt Gefira hat er den Felsen von Monemvasia den ganzen Tag im Blick. “Warum der Felsen nicht weltberühmt ist? Keine Ahnung. Schlechtes Tourismus-Marketing?”

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Betrachtet man den riesigen Steinbrocken, der nur durch eine schmale Strasse mit dem Örtchen am Festland verbunden ist, kann es keinen anderen Grund geben. Eindrucksvoll ragt der Felsen wie ein Schiff aus Stein bis zu 300 Meter hoch aus den Wellen der Myrtoischen See. Auf dem Hochplateau stehen immer noch die Ruinen einer mächtigen Zitadelle, der Oberstadt. An die steile östliche Felswand des 1,8 Kilometer langen Brockens kauert sich eine kleine mittelalterliche Stadt mit engen Gassen und einem wilden Stilmix aus osmanischen und venezianischen Häusern.

Hier sollen zur Blütezeit von Monemvasia im 17. Jahrhundert bis zu 40.000 Menschen gelebt haben. Osmanen, Normannen, Päpste und Piraten – sie alle haben im Verlauf der letzten Jahrhunderte versucht, diesen strategisch so wichtigen, auf dem Sehweg von Venedig nach Byzanz gelegenen Felsbrocken zu erobern. Vergeblich, es gab nur einen Eingang (= moni emvassi) in die Inselfestung, und der war gut bewacht. Manche erinnert der Felsen an Gibraltar, treffender wäre wohl ein Vergleich mit der bretonischen Insel Mont Saint Michel.

Heute soll es nur noch zehn bis 20 Menschen geben, die dauerhaft dort wohnen. Die alten Gebäude sind heute nur noch eine pittoreske Hülle für Dutzende Cafés, Restaurants, oder Luxushotels wie das “Moni Emvasis Luxury Suites” oder das “Theophano art hotel”.

Vier Autostunden von Athen aus schrecken viele ab

Natürlich, Monemvasia liegt auf der südlichsten Spitze des östlichen Fingers des Peloponnes. Um hierhin zu gelangen, muss man sich von Athen aus noch rund vier Stunden ins Auto setzen. Tourismusfreundliche Regionalflughäfen gibt es in der Region Lakonien keine. Doch was Reisenden auf dem Weg zu den Tourismus-Klassikern Griechenlands verpassen, geht weit über den Felsen von Monemvasia hinaus: die überraschend fruchtbare, toscana-artige Landschaft mit ihren Oliven- und Zitronenhainen, Orangenplantagen, Weinbergen und malerischen Zypressen- und Eukalyptus-Alleen, Bergdörfer, in denen die Zeit stillzustehen scheint, den karibischen Traumstrand von Elafonissos, die märchenhaften Höhlen von Kastania, das im Meer versunkene Pavlopetri, die versteinerten Wälder östlich von Neapoli – und nicht zuletzt die Fünf-Sterne-Burganlage “Kinsterna” in Agio Stefanos.

Der “Guardian” hatte schon vor knapp zwei Jahren vor diesem Hotel gewarnt: einmal eingecheckt will man das weitläufige Gelände des Fünf-Sterne-Hotels Kinsterna in den Bergen oberhalb von Monemvasia gar nicht mehr verlassen. Der Felsen mit der Zitadelle? Sieht man auch von der Hotelterrasse aus. Das Städtchen? Morgen vielleicht. Der Fjord von Gerakas? Nächstes Mal. Der Traumstrand von Elafonissos? Wenn überhaupt.

Theo Terzopoulos, der Manager des Luxushotels, lacht. “Warum die verliebten, jungen, britischen Paare, die hier ihre Flitterwochen verbringen, wenig an den Sehenswürdigkeiten der Region interessiert sind, liegt ja in der Natur der Sache …” Mit einem Glas Malvasia aus dem eigenen Weinberg des “Kinsterna” in der Hand, kann man zwischen antiken Säulen rund um das alte Wasserreservoir sitzend, die Umgebung auch schnell vergessen, der Felsen von Monemvasia ist selbst von hier aus gut sichtbar.

Der Blick schweift über 15 Hektar Land voller Weinberge, Olivenhaine, mächtiger Zypressen und Eukalyptusbäume und alter Zitrusbäume, die wie in alten Zeiten von Süßwasserquellen aus den Bergen gespeist werden. “Kinsterna” bedeutet Zisterne, und das Wasser machte den Landsitz schon immer von der Außenwelt unabhängig. Ein eleganter Spa-Bereich, eine Bibliothek, ein Rundgang über das Gelände und diverse Kurse zu Themen wie Wein, Olivenöl oder handgemachte Seife – man muss das “Kinsterna” auch heute nicht wirklich verlassen.

Der Pool wurde um die Bäume herumgebaut

Diese Unabhängigkeit ist heute zum gastgeberischen Prinzip geworden: das Luxusanwesen bietet 41 Zimmer und Suiten, manche davon in byzantinischen Rundgewölben mit Jahrhunderte alten Feuerstellen, manche in neu erbauten Villen am Rand der Anlage. Überall alter Baumbestand und mediterrane Blütenpracht. Selbst der Hauptpool ist ein Unikat: wie ein Flusslauf durchzieht er den ehemaligen Obstgarten.

“Der Besitzer, Herr Sgardelis, hat in anderen Luxushotels beobachtet, wie alter Baumbestand aus Gründen der Neubebauung oder Neuanlage eines Pools einfach aus dem Boden gerissen und dann in Kübel gepflanzt auf Rollwagen wieder an den Pool herangefahren wurden,” erklärt Manager Terzopoulos die ungewöhnliche Form des Kinsterna-Pools, “das fand er absurd. Hier wurden einfach alle alten Orangenbäume und Zypressen an ihrem gewohnten Ort gelassen, und der Pool einfach drum herum gebaut.”

Die Entdeckung des langsam verfallenden Landhauses aus dem 13. Jahrhundert durch Antonis Sgardelis war ein Glücksfall. Der Ingenieur aus der Region mit einschlägigen Erfahrungen mit der Renovierung alter Bauten war zu Beginn des Jahrtausends auf der Suche nach einem Alterssitz. 2003 erfuhr Sgardelis, dass das berühmte Anwesen der Familie Kapitsini, auf dem bis in die 1970er jahre hinein rauschende Jetset-Feste gefeiert und illustrer Besuch empfangen wurde, zum Verkauf stand.

Der älteste bekannte Besitzer war Ibrahim Bey, ein osmanischer Statthalter und Richter, der das Anwesen Anfang des 19. Jahrhunderts als Gerichtsitz samt Gefängnis nutzte. Das 40 Hektar große Grundstück mit seiner säulenumrankten Zisterne und seinem uralten Bausubstanz, das nur noch von der alten Dame Lina Kapitsini und ein paar Katzen bewohnt wurde, hatte es ihm sofort angetan. Solch ein ehemals prachtvolles byzantinisches Herrenhaus war einmalig auf dem gesamten Peloponnes.

Die selbstgewählte Isolation der Reichen

Mit einem Investment von über 14 Millionen Euro wurde dem Landsitz ab 2006 neues Leben eingehaucht. Drei Jahre lang wurde restauriert und neu gebaut, zum griechischen Osterfest im April 2010 fand das “Soft Opening” statt, mitten in den Absturz der griechischen Wirtschaft hinein. Angesichts der wirtschaftlichen Situation mutete die Eröffnung eines Fünf-Sterne-Hotels fast geschmacklos an, zumindest unpassend.

Doch als die Renovierungsarbeiten begannen, waren die Bewohner ringsum froh, dass solch ein architektonisches Juwel nicht weiter dem Verfall preisgegeben war. Und sie hofften auf Arbeitsplätze im Bau- und Gastgewerbe. Andere wiederum fürchteten den Ausverkauf der Region und fantasierten von Milliardären, die in ihren eigenen Helikoptern anreisen und mit dicken teuren Cohibas in den Hafencafés sitzen würden, mitten im Elend der meisten normalen Griechen. Doch auch diese Klientel würde es wohl nicht von der Burg hinunter ins Hafenstädtchen schaffen. Zu verlockend wären die Ruhe und Schönheit des alten Luxus-Landhauses. Auch Kellner Diamantis staunt, als er das “Kinsterna” zum ersten Mal betritt. “Wir unten im Dorf kommen ja nie hierher … es sei denn, wir bekommen einen Job im Service.”

Weit weniger abgeschieden liegen zwei weitere Luxusherbergen der Region direkt auf dem Felsen von Monemvasia. Einen besonders privilegierten Platz nimmt dabei das “Theophano art hotel” ein: es liegt direkt am zentralen, luftigen Chrysafitissa Square mit unverstelltem Blick auf die smaragdgrüne Myrtoische See. Die zwei Suiten und 12 Zimmer sind individuell mit antiker Kunst ausgestattet, überall begegnet man den Spuren archäologischer Ausgrabungen.

Im Gassengewirr direkt hinter der mittelalterlichen Stadtmauer kleben die einzelnen Gebäude der “Moni Emvasis Luxury Suites” wie Schwalbennester an der steilen Felsenwand. Nur drei Suiten stehen zur Verfügung, die ausgestattet mit feinstem italienischen Design und marmornen Feuerstellen den verwöhntesten Gast zufrieden stellen. Jede Suite hat ihren eigenen Balkon. Von diesem Logenplatz aus kann man sich den Duft frisch gebackener Amygdalotas in die Nase wehen lassen, einem köstlichen Mandelkeks, der nur in dieser Region gebacken wird.

Selbst für die Zwölfender des internationalen Jetsets, die auf Reisen besondere Ansprüche an Diskretion und Abgeschiedenheit stellen, ist Monemvasia ein idealer Rückzugsort. Denn was Venezianer, Osmanen, Piraten und Päpste nicht geschafft haben, gelingt auch keinem Paparazzi: Nach wie vor hat das Felsendorf nur einen Eingang – und der ist immer noch gut bewacht.

Erschienen auf manager magazin online, 27.10.2014:
http://www.manager-magazin.de/lifestyle/reise/reisetipps-kinsterna-und-monemvasia-lakonien-fuer-geniesser-a-994425.html

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