Fort Myers/ Sanibel: Süsses Nichtstun im Ralph-Lauren-County

Sanibel Island_Cabbagekey 26Sanibel und Captiva Island bei Fort Myers an der südwestlichen Golfküste Floridas sind der Gegenentwurf zu den Rentnerkolonien, Partytouristen und dem lauten Bling-Bling in Palm Beach oder Miami. Hier genießt man das Leben entspannt und elegant auf die Ralph Lauren-Art beim Muscheln sammeln und Fahrradfahren

Als der New Yorker Pop Art-Künstler Bob Rauschenberg einmal rund um sein Winterdomizil auf Captiva Island nach Müll auf den Straßen suchte, um daraus ein Kunstprojekt zu machen, musste er mit leeren Händen wieder nach Hause gehen. Was in den Straßen New Yorks noch einfach war, war hier völlig unmöglich: Es gibt keinen Müll auf Captiva und Sanibel Island. Und keine Discos, keine Beach Clubs oder Ampeln. Spötter sagen auch: Und keine Menschen unter 40. Die beliebteste Art, sich fortzubewegen, ist per Golfcart, Jacht oder Fahrrad.

Während auf der Atlantikseite Floridas der eigene Wohlstand laut und schrill zelebriert wird und die Partytouristen und Pensionäre das Bild bestimmen, ist an der südwestlichen Golfküste rund um Fort Myers alles viel zurückhaltender. Ralph Lauren statt Versace. Casual statt Bling Bling. Die beiden mit Pinien und Palmen bewachsenen Zwillingsinseln Sanibel und Captiva Island, die zur Hälfte aus dem J.N. „Ding“ Darling-Nationalpark bestehen, aber auch Gasparilla Island, die die französische Uhrendynastie Du Pont als Winterrefugium auserkor, ziehen daher Menschen an, die das pure Naturerlebnis suchen: Delfine, Seekühe, Seeschildkröten, Pelikane, Kormorane, Reiher, Sand und Meer, Muscheln und Sonnenuntergänge. Außer gut Essen, Schlafen, Trinken, Spazierengehen, Fahrrad fahren und Muscheln sammeln, gibt es hier nichts zu tun.

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Die fast 20 Kilometer langen Sandstrände vom Leuchtturm von Sanibel bis zur Nordspitze Captivas, – deren Küstenlinie so gebogen und nach Westen ausgerechnet ist, dass hier besonders viele Muscheln angespült werden – ziehen nicht nur wohlhabende Pensionäre an, sondern auch zahlreiche Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur: Sean Connery und Tom Hanks sollen Häuser im Norden von Captiva Island besitzen, und ist dort nicht eben gerade Taylor Swift in Flip-Flops zum Strand geschlurft? Die Diskretion der Bewohner von Sanibel und Captiva Island sorgt dafür, dass diese Celebrity-Sichtungen nie das Stadium eines Gerüchtes verlassen. Komm, wie du bist, egal, wer du bist.

Die Sandstrände der Inseln sind gesäumt von rund 30 Hotels, Inns und Resorts, keines davon ein Betonklotz, keines davon höher als die dort wachsenden Palmen. Das ist Inselgesetz. Das älteste der „Historic Beachfront Resorts“ auf den Inseln, ist das 120 Jahre alte Strandhotel „Island Inn“. Dessen Restaurant „Traditions on The Beach“ gilt als das beste Lokal auf der Insel, der „Chef“ Aziz ist vielfach mit Auszeichnungen dekoriert, und der „Bloody Mary“ von Barkeeper Carlos preisgekrönt. „Beware of the bite“, warnt die Cocktail-Karte selbst vor dem hochprozentigen Drink. Denn den „Crab Cake“ und den Thunfisch mit Haselnusskruste sollte man noch mit allen Sinnen geniessen können, ebenso wie den einen oder anderen amerikanischen Gast, der zu den Rocksongs der Coverband-Lady entfesselt auf der Tanzfläche abrockt.

Mehr an „Island nightlife“ wird man auf Sanibel nicht finden, vielleicht noch etwas Beach Club-Atmosphäre rund um den britischen Pub „The Mucky Duck“ in Captiva. Dort treffen sich jeden Abend die Bewunderer von Sonnenuntergängen bei Flaschenbier und Cocktails am Strand und warten auf einen weiteren sun set aus dem Florida-Bilderbuch.

Edison & Ford Winter Estates: Ein Hauch von Gatsby

EPR4 Edison Main House_EFWESeit Jahrzehnten schätzen die Schönen und Erfolgreichen aus den Industriemetropolen des Nordens den mit Einfachheit gepaarten natürlichen Luxus der Inseln im Pine Island Sound vor Fort Myers. Schon in den 1920er Jahren brachten Erfinder und Industrielle wie Thomas A. Edison und Henry Ford einen Hauch von Gatsby in den sumpfigen Süden: Am Festland, an den Ufern des Calusahatchee Rivers erbauten die beiden engen Freunde ihre beeindruckenden Winterdomizile in einer üppigen tropischen Gartenanlage, praktischerweise gleich nebeneinander. Für ihren gemeinsamen Freund Firestone pflanzten sie sogar einen asiatischen Banyan-Baum, damit der Autoreifenentwickler mit dem Gummi des Baums experimentieren konnte. Das entspannte Alltagsleben der beiden wurde nur unterbrochen durch die Arbeit in den Laboren und Werkstätten, die sie für ihre Forschungen auf dem Gelände errichteten.

Die Vergangenheit ist liebevoll inszeniert: In der Garage parkt noch ein Model T, in einem der Schlafzimmer ist ein Charleston-Kleidchen auf dem Bett ausgebreitet, und von irgendwoher wehen zickige, jazzige Grammophonklänge auf die Veranda.

Cabbage Key: Cheeseburger in paradise

Eine der prominentesten Persönlichkeiten der 1930er Jahre, die amerikanische Krimiautorin Mary Roberts Rinehart, auch die „amerikanische Agatha Christie“ genannt, baute auf dem nur hundert Hektar großen Eiland Cabbage Key ein stattliches Strandhaus als Hochzeitsgeschenk für ihren Sohn, das heute das „Cabbage Key Inn & Restaurant“ beherbergt, einem beliebten Anlaufpunkt für hungrige Yachties.
Rund 500 Gäste laufen die Insel täglich an, mit dem eigenen Boot oder auf einem der Ausflugsschiffe, die von der Pineland Marina auf Pine Island oder von Captiva aus mehrmals täglich starten. Sie kommen vor allem, um das berühmte Mahi Mahi-Sandwich oder den Cheeseburger zu probieren, dem Sänger Jimmy Buffet nach einer kräftezehrenden Angeltour mit seinem Song „Cheeseburger in paradise“ ein Denkmal setzte. Auch hier gibt es sonst nichts zu tun außer: Runterkommen, Essen, aufs Wasser starren, Boote und Vögel beobachten. Einen Fernseher oder W-LAN gibt es nicht, auch keine Swimming-Pools, Straßen, Strände oder Golf- und Tennisplätze. Die Geschwindigkeitsbegrenzung liegt bei fünf Meilen pro Stunde.

Allerdings gibt es eine ungewöhnliche Wanddekoration im Inn zu bestaunen: Der gesamte Gastraum ist mit Ein Dollar-Noten dekoriert, Geldscheine im Wert von 70.000 Dollar sollen an den Wänden und der Decke hängen. 10.000 davon fallen jährlich von der Wand und werden wohltätigen Organisationen gespendet. Begonnen hatten einzelne Seeleute damit: Sie markierten einen Dollar mit ihrem Namen und klebten ihn als Vorauszahlung an die Wände, damit sie sich beim nächsten Stopp auf Cabbage Key auch sicher ein Bier leisten konnten. Nun finden sich auch Geldscheine mit den Autogrammen von Ernest Hemingway, Katherine Hepburn und John F. Kennedy unter den aufgehängten Dollarnoten.

Seit 1976 gehört die Insel mitsamt der neun Cottages, die man mieten kann, der Familie Wells. Sie haben hier ihre beiden Söhne aufgezogen, die heute das Restaurant betreiben. Und sie können immer noch zahlreiche Prominenz begrüßen, die auf den umliegenden Inseln urlaubt oder ihre Winterdomizile in der Gegend haben: Annie Leibovitz war schon hier, und auch Tony Bennett, Walter Cronkite, Ted Koppel oder Robert Kennedy. Hollywoodstars wie Rob Lowe, Kevin Costner und Julia Roberts ließen sich schon ebenso hier blicken wie die beiden Töchter von George W. Bush, die von der nahe gelegenen Luxus-Insel Gasparilla Island extra für den Cheeseburger herüberkamen.

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„Nicht jeder versteht diesen Ort,“ sagt Ken Wells, einer der Söhne, die sich heute um die Insel kümmern, „es gibt hier wirklich nichts zu tun.“ Und eines könne auch Disney nicht kopieren: „Den Charme und die Patina des alten Florida.“

Mehr Infos über:

Infos zur Region: www.fortmyers-sanibel.com/german
Sanibel und Captiva Island: www.sanibel-captiva.org
Island Inn: www.islandinnsanibel.com
Traditions on The Beach: www.traditionsonthebeach.com
Cabbage Key: www.cabbagekey.com/home/
Edison & Ford Winter Estates: www.edisonfordwinterestates.com
The Bob Rauschenberg Gallery: www.rauschenbergGallery.com

Dieser Reisebericht ist auch erschienen auf manager magazin online,  28.04.2016:

http://www.manager-magazin.de/lifestyle/reise/sanibel-und-captiva-island-suesses-nichtstun-im-ralph-lauren-country-a-1089547.html

 

 

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